Der Kampf ums Vogelparadies in Montenegros Salzgarten
Eine
Koalition aus lokalen Vogelfreunden, internationalen Umweltaktivisten
und Diplomaten setzt sich für die Wiederbelebung der Salinen von Ulcinj
ein. Sie hat den ersten Versuch, dort ein Luxusresort zu bauen,
abgewehrt. Doch Montenegros Regierung spielt auf Zeit.
Was
Heathrow für die europäische Fliegerei, ist die montenegrinische Saline
Ulcinj für die Zugvögel des Kontinents: ein Drehkreuz und Ankerpunkt
erster Güte. Hier rasten, brüten und überwintern jedes Jahr Zehntausende
von Vögeln unterschiedlicher Art. Man kann seltene Wat- und Wasservögel
beobachten wie den Löffler oder den Krauskopfpelikan, und mit etwas
Glück sieht man Flamingos durch die Untiefen staksen, die durch die
krummen, lamellenbesetzten Schnäbel Kleinkrebse aus dem Salzwasser
filtern. Es ist ein Lebensraum für 250 Vogelarten. So und noch viel
ausführlicher erklären es einem enthusiastisch die Ornithologen bei der
Anfahrt zur Saline. Doch an diesem dunstigen Tag scheinen die Ufer und
Deiche der grossen Wasserbecken verlassen. Kein Zirpen und Trillern,
keine Brachschwalbe und kein Triel lassen sich blicken. Und ohne
Feldstecher hätte man die hellen Flecken am Horizont nicht als Flamingos
erkannt.
20 km
Die Ornithologen bedauern die Abwesenheit der gefiederten Freunde, aber was ihnen wirklich Kummer macht, ist etwas anderes.
Der
montenegrinische Minister «für nachhaltige Entwicklung und Tourismus»,
Pavle Radulovic, hatte im Frühjahr an einer Konferenz in Anwesenheit des
EU-Botschafters versprochen, die Saline werde in einen Naturpark
umgewandelt und der Betrieb zur Salzgewinnung wiederaufgenommen. Doch
nichts davon ist geschehen. Die Proteste internationaler
Naturschutzorganisationen wie der Stiftung Euronatur und lokaler
Umweltschutzgruppen lassen die Regierung kalt. Auch die EU-Kommission
verlangt bis jetzt vergeblich, dass der Salzgarten unter Schutz gestellt
wird.
Die
Hinhaltetaktik, so glauben die Naturschützer, hat System und ein Ziel.
Es gibt Pläne, das Gelände touristisch mit einem Erholungspark, einem
Golfplatz und Badeanlagen zu erschliessen. Die Zeit arbeitet für die
Investoren und gegen die Vögel. Denn ohne die Dämme und Pumpen, die
Salzwasser in die Becken bringen, wird das Feuchtgebiet süss und
ungeeignet für salzliebende Watvögel. «In zwei bis drei Jahren», so
Gudrun Steinacker, die ehemalige deutsche Botschafterin in Montenegro,
«gibt es hier nichts mehr zu retten.» Die Versüssung des Geländes hat
bereits bedrohliche Ausmasse angenommen. 2013 wurden hier 2500 Flamingos
gezählt, jetzt leben nur noch 600 von ihnen an den Salzbassins.
Salz für halb Jugoslawien
Salinen
entstehen, indem Meerwasser auf ein flaches Ufer gepumpt und dort von
Dämmen zurückgehalten wird. Mittels Schleusen lässt man das Wasser dann
langsam zurückfliessen. Unter der Sonne verdunstet es, zurück bleibt
Salz, das herausgeschaufelt wird. Ob eine Saline wie jene in Ulcinj
heute profitabel betrieben werden kann, ist umstritten. Einen sicheren
Profit dagegen böten die Austrocknung und die Überbauung des Geländes
zum hochpreisigen Resort.
Die
Saline Ulcinj war 1935 im damaligen Königreich der Serben, Kroaten und
Slowenen gegründet worden. Mit einer Fläche von knapp neun
Quadratkilometern beschäftigte sie zu den besten Zeiten vierhundert
Personen und deckte mehr als die Hälfte des Salzbedarfes in Jugoslawien.
Nach dem Partisanenheld Bajo Sekulic benannt, ging die Firma, die sich
in «gesellschaftlichem Besitz» befand, 2005 in Konkurs. Schon zwei Jahre
zuvor hatten die Verantwortlichen begonnen, mit den Vogelschützern von
Euronatur zusammenzuarbeiten. Angestrebt war eine Kombination von
Salzproduktion, Vogelschutzgebiet und sanftem Tourismus. Damit war
Schluss, nachdem die montenegrinische Investmentgesellschaft Eurofond
die Saline für 800 000 Euro gekauft hatte. Obwohl die Firma damit nur
die Anlagen und nicht den Boden erstanden hatte, versuchte sie mehrmals,
diesen an einen ausländischen Investor zu verkaufen. Eurofond nahm auch
Kredite auf, für welche die Saline als Garantie diente – obwohl sie
weiterhin in staatlichem Besitz war.
Koalition der Vogelfreunde
Solch
dreistes Vorgehen kann sich auch in Montenegro nicht jeder leisten.
Veselin Barovic allerdings schon. Der Geschäftsmann gehört zum engeren
Kreis um Milo Djukanovic, den Präsidenten des Landes, der zusammen mit
seiner erweiterten Familie Politik und Wirtschaft der kleinen Republik
kontrolliert. Die Hypothekarkredite hatte Barovic bei der Prva Banka
aufgenommen, deren Hauptaktionär Aleksandar Djukanovic, der Bruder des
Präsidenten, ist. Alles lief wie geschmiert, und 2007 wandelte das
Parlament das Vogelschutzgebiet in Bauland um. Das geschah in aller
Heimlichkeit durch einen Zusatz zum Raumplanungsgesetz und wurde erst
2011 von Umweltschützern bemerkt. Sie schlugen Alarm, und unter dem
anschwellenden heimischen und internationalen Protest wurde 2012 in
einem neuen Zusatz die Saline als schutzwürdig ins Gesetz aufgenommen.
2014
erhielten die Umweltschützer massive Unterstützung der damaligen
deutschen Botschafterin Gudrun Steinacker. Zusammen mit ihrer
französischen Kollegin wurde sie bei den montenegrinischen Behörden
vorstellig und machte ihnen recht undiplomatisch klar, dass die
Tricksereien sich negativ auf die Beitrittsverhandlungen mit der EU
auswirken würden. Die Wirkung blieb bescheiden. 2015 hob das
Verfassungsgericht den Parlamentsbeschluss von 2012 auf, und die Saline
wurde wieder zu Bauland. Im April 2016 wurde vom damaligen
Tourismusminister der baldige Schutz des Gebiets versprochen. Doch
nichts geschah.
Lieber ungestört im EU-Hinterhof
Der
Kampf um die Saline ist beispielhaft dafür, wie lokale und
internationale Umweltschützer kooperieren und professionelle Kampagnen
für ihre Anliegen auf den Weg bringen. Dabei wenden sie sich an zwei
Publika: die Bürger Montenegros und eine internationale umweltbewusste
Öffentlichkeit. Es gelang, die Saline auf die europäische Agenda zu
hieven. Die EU-Kommission rügt in ihren Berichten regelmässig die
montenegrinische Lethargie. Aber die Zeiten, als Brüsseler Weckrufe auf
dem Balkan schnelle Reaktionen hervorriefen, sind vorbei. Ohnehin sei es
fraglich, sagt ein montenegrinischer Vogelfreund, ob die Familie
Djukanovic wirklich auf einen EU-Beitritt erpicht sei. In ihrem
Hinterhof kann sie ihren Geschäften ungestörter nachgehen.
AntwortenLöschenSchutz der Saline Ulcinj Voraussetzung für EU-Beitritt Montenegros
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EU fordert von Montenegro: Saline Ulcinj muss geschützt werden / Am 2. Februar ist Weltfeuchtgebietstag
(lifePR) (Radolfzell, 01.02.19) Anlässlich des Weltfeuchtgebietstages macht die international tätige Naturschutzstiftung EuroNatur auf neue Entwicklungen im Fall der Saline Ulcinj aufmerksam. Diese könnten endlich die Unterschutzstellung der Saline mit sich bringen, für die EuroNatur und ihre Partner in Montenegro engagiert kämpfen. Der Salzgarten von Ulcinj ist eines der bedeutendsten Feuchtgebiete an der östlichen Adria.
Am 10. Dezember 2018 wurde das Umweltkapitel (Kapitel 27) der EU-Beitrittsverhandlungen zwischen Montenegro und der Europäischen Kommission eröffnet. Darin ist die klare Forderung formuliert: Die Saline Ulcinj muss als Schutzgebiet ausgewiesen werden und Montenegro muss effektive Schutzmaßnahmen umsetzen, um den Erhaltungszustand der Saline zu verbessern; ansonsten wird es keine EU-Mitgliedschaft geben. „Wir begrüßen diese Voraussetzung für den EU-Beitritt Montenegros und hoffen, dass die Aussicht darauf die Verantwortlichen endlich dazu bewegt, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Den weiteren Prozess werden wir sehr genau beobachten und engen Kontakt zu Entscheidungsträgern in Brüssel halten“, sagt Janinka Lutze, Campaignerin bei EuroNatur.
Um den Druck auf den zuständigen Umweltminister Montenegros, Pavle Radulović, weiter zu erhöhen, hat EuroNatur gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen eine internationale Petition gestartet, in der die sofortige Unterschutzstellung der Saline und die Wiederaufnahme des Salzabbaus gefordert wird. Die Unterschriften sollen bei der fünften Konferenz zum Schutz des Salzgartens am 17. April 2019 überreicht werden.
Hintergrundinformationen:
Weltfeuchtgebietstag 2019: Der World Wetlands Day wird jedes Jahr am 2. Februar gefeiert. In diesem Jahr steht er unter dem Motto „Feuchtgebiete und Klimawandel“: https://www.worldwetlandsday.org
Saline Ulcinj: Die Saline Ulcinj ist eines der wertvollsten Feuchtgebiete auf dem Balkan und hat besonders für die Vogelwelt eine herausragende Bedeutung. Doch aufgrund nur sporadisch ausgeführter Wartungsarbeiten brechen Dämme und Deiche im Gelände und wertvolle Salzflächen werden mit Süßwasser überflutet, so dass der ökologische Wert des Vogelparadieses sinkt.
Die Petition: Im Juni 2018 haben EuroNatur und ihre Partner die internationale Petition zum Schutz der Saline Ulcinj gestartet. Darin wird auch die Wiederaufnahme des Salzabbaus gefordert. Dieser ist nicht nur erforderlich, um den typischen Charakter des Lebensraums zu bewahren, sondern bietet auch den Menschen in der Region eine wirtschaftliche Perspektive: kurzlink.de/Petition_Saline
Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur)
EuroNatur ist eine gemeinnützige, international tätige Naturschutzstiftung mit Sitz in Radolfzell am Bodensee. Ziel ist der grenzübergreifende Erhalt wertvoller europäischer Natur- und Kulturlandschaften mitsamt ihrer Artenvielfalt. Hauptbestandteil der Arbeit von EuroNatur ist es, Menschen und Natur zu verbinden - die Grundlage, um einen langfristigen Erfolg der Projekte zum Schutz von Wildtieren wie Wölfen, Bären, Luchsen, Zugvögeln und ihren Lebensräumen zu erreichen. Sie finden uns im Internet unter www.euronatur.org