Luxury: The impressive property in Tandarei,
Romania, identified by police as being built for a Gypsy gang linked
with a £800,000 UK benefits scam. Jailed fraudster Adrian Radu lived
there
Internationaler Report zu käuflichem Sex
Das schäbigste Gewerbe der Welt
Von Stefan Simons, Paris
91 Milliarden Euro werden jährlich mit käuflichem Sex
umgesetzt. Die Prostituierten werden immer jünger, sie sterben immer
früher.
Mal in bunten Röcken, mal in Jeans und engen Tops: Die Gruppen
minderjähriger Mädchen, die zwischen Louvre, Tuilerien-Park und den
Kaufhäusern an den Prachtboulevards umherziehen, gehören zum Stadtbild
von Paris. Meist haben sie Klemmbretter in der Hand, auf denen Passanten
um Spenden gebeten werden - für karitative Organisationen.
Die Roma-Mädchen und -Frauen sind Taschendiebinnen, die es vornehmlich
auf asiatische Touristen abgesehen haben. Sie werden früh morgens von
ihren Clanchefs ins Zentrum geschickt und müssen, nach abgesteckten
Plänen auf die lukrativsten Boulevards verteilt, in der Regel bis zu 300
Euro täglich zusammenstehlen.
Mädchen, die die Summe nicht zusammenstehlen, werden zur Strafe von ihren Bossen auf den Strich geschickt.
"Die Tarife liegen zwischen 30 und 100 Euro", sagt Yves Charpenel,
Oberstaatsanwalt am Pariser Kassationsgericht und Präsident der Stiftung
Scelles (
Homepage). Die Ausbeutung von immer jüngeren Opfern der
Prostitution
- in Frankreich etwa 30.000 - betrachtet der Jurist als alarmierende
Entwicklung: "Die Mädchen sind ungebildet, sprachlich isoliert, arm und
abhängig. Das Beispiel der Roma ist typisch", so Charpenel. "Es trifft
immer die Schwächsten."
91 Milliarden Profit
Die französische Stiftung ("Sexuelle Ausbeutung untersuchen,
erklären, bekämpfen") versteht sich als Informationszentrum, als
Förderer der Juristenausbildung und Anlaufstelle für Opfer. Ihr vierter
Bericht zur Prostitution ist ein 550-Seiten-Kompendium mit 38
Länderanalysen, gestützt auf die Arbeit von Sozialarbeitern, Juristen,
Ärzten. Das Motiv: Aufklärung durch solide, objektive Informationen, mit
dem Ziel käuflichen Sex einzudämmen und zu bannen. Der Report,
("Prostitution: Exploitations, Persecutions, Repressions", Economica,
Paris: 2016) ist das Ergebnis 18-monatiger Forschung.
Er schildert im Detail die weltweite, sexuelle Ausbeutung von
Kindern, Jugendlichen, Frauen: Prostitution als globalisierte
Wachstumsbranche, die floriert - dank Krieg, Vertreibung und den neuen
Mitteln der digitalen Vermarktung. Betrieben wird sie von Drahtziehern
des organisierten Verbrechens oder Handlangern des internationalen
Terrors, der sich damit finanziert. Es ist demnach ein Riesengeschäft
mit Profiten von rund 91 Milliarden Euro jährlich.
Dahinter steht
Menschenhandel
von Millionen Menschen und ihre Entwürdigung und Einschüchterung durch
brutale Gewalt. Sie werden schon im Vorschulalter zur Prostitution
angeleitet und sind damit ihren Profiteuren ausgeliefert:
Kinder-Sexsklaven, verkauft von Bordellketten, Minderjährige als Opfer
von Vergewaltigung, junge Frauen als Opfer von Gewalt und Mord. Die
durchschnittliche Lebenserwartung von Prostituierten liegt laut der
internationalen Untersuchung bei 33 Jahren.
Universum der Verletzlichkeit
Die erbarmungslose Härte steht im Gegensatz zum weichgespülten Glamour-Bild der
Sexindustrie,
deren Lobby die barbarische Wirklichkeit mit einem attraktiven Firnis
übertüncht: Diese Marketingstrategie schildert Prostitution als
liberalen, freien Beruf, als Befreiung gar vom Patriarchat, ausgeübt von
angeblich autonom agierenden "SexarbeiterInnen". Dazu passen auch
Filme, von "Irma La Douce" bis "Pretty Woman", die den käuflichen Akt
als ökonomische Beziehung schildern, zwischen verantwortungsvollen
Erwachsenen und im Zeichen einer modernen Sexualität.
Die Realität in den "Massagesalons", "Liebestempeln" oder
"Libertinage-Clubs" hat mit diesem neoliberalen Diskurs nichts zu tun,
sagt Staatsanwalt Charpenel. In Wahrheit ist die Prostitution ein
Universum der Verletzlichkeit, betroffen sind fast ausschließlich Frauen
und Mädchen (98 Prozent): Oft Angehörige ethnischer Minderheiten,
diskriminierte Flüchtlinge, Asylanten ohne Aufenthaltsgenehmigung, Opfer
von sexueller Gewalt, Drogen- oder Alkoholabhängige.
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Repression kann jedoch funktionieren, sagt Charpenel und beschreibt
das Beispiel Schwedens. Dort haben resolute Verbote die Nachfrage nach
Prostituierten drastisch vermindert. Eine Botschaft, abgefangen zwischen
rumänischen Menschenhändlern und Zuhältern, konstatierte die Wende:
"Der schwedische Markt ist tot."
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