Der Original ZDF Beitrag, der hoch interessant ist.
unten die Albanische Version, über den Besuch in Berlin.
Zeugen ohne Schutz
Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX scheitert im Kosovo
von A. Ginzel, M. Kraushaar und U. Stoll
Der Europäischen Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo (EULEX) gelingt es offenbar nicht, die mafiösen Strukturen des Landes zu brechen. Betroffene und Experten sehen den Hauptgrund in dem mangelhaften Zeugenschutzprogramm der Mission.
Jüngstes Beispiel für die EULEX-Misere ist der Tod von Agim Zogaj. Der wichtige Zeuge in einem Kriegsverbrecherprozess erhängte sich am 27.September dieses Jahres im Duisburger Stadtteil Homberg.
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Vor dem Freitod hatte es bereits Mordanschläge mit einer Autobombe und einer Schusswaffe gegen den früheren Angehörigen der Kosovo-Miliz UCK gegeben. Der Zeuge überlebte drei Attentate. Offenbar sollte Zogaj daran gehindert werden, gegen seinen früheren Kommandeur Fatmir Limaj auszusagen. Der soll in einem Gefangenenlager in Klecka (Kosovo) während des Kosovo-Krieges in den Jahren 1998/99 Häftlinge gefoltert und ermordet haben.
Laxer Zeugenschutz trotz Warnzeichen
Heute ist Limaj ein einflussreicher Politiker der Regierungspartei PDK. Zogaj war ein geschützter Zeuge der EULEX. Doch er lebte ein Dreivierteljahr unter seinem Klarnamen in der Wohnung seines Bruders in Duisburg. Wenige Stunden vor seinem Selbstmord habe er seinem Bruder Afrim gesagt, er habe Angst, dass EULEX ihn nach der Aussage fallenlasse und "wie einen Müllsack" wegwerfe.
Klingelschild.
Zeuge Zogaj: Unter Klarnamen in Deutschland
Afrim Zogaj erhebt schwere Vorwürfe gegen das Zeugenschutzprogramm. EULEX habe dem Zeugen eine sichere Wohnung verweigert und ihn nur unzureichend betreut: "Die EULEX-Leute kamen nur einmal alle zwei Monate hierher", so Zogaj. Sie hätten nur englisch mit ihm sprechen können, er konnte nur albanisch. "Ich verstehe nicht, was das für eine Zeugenbetreuung gewesen sein soll."
Einschüchterung und Mord
EULEX-Sprecher Hanns-Christian Klasing verteidigt das Zeugenschutzprogramm: "Sie können auch Zeugen, die im Zeugenschutz sind, nicht 24 Stunden lang ununterbrochen bewachen." Das sei praktisch schlecht durchführbar.
Obwohl die Europäische Union große Teile der Polizei und Justiz im Kosovo stellt, werden Zeugen immer wieder eingeschüchtert. In einem ersten Prozess wurde der frühere UCK-Kommandeur und Premierminister Haradinaj vom Gericht in Den Haag 2008 freigesprochen, da von ursprünglich zehn Zeugen des Kriegsverbrechertribunals, die gegen Haradinaj aussagen sollten, nur noch einer lebte. Das Verfahren wurde inzwischen wieder aufgenommen, seit August 2011 wird wieder gegen Haradinaj verhandelt.
"Kultur des Schweigens"
Die Münchner Osteuropa-Expertin Professor Marie-Janine Calic spricht von einer "Kultur der Straflosigkeit und des Schweigens" im Kosovo. "Es gibt massive Einschüchterungen, Übergriffe und natürlich auch Anschläge auf Zeugen, die überhaupt bereit wären, in solchen schwerwiegenden Fällen auszusagen."
Eine aktuelle Studie des Europarates(Externer Link - Öffnet in neuem Fenster) belegt, dass Zeugen, denen Anonymität zugesichert worden war, identifiziert und angegriffen wurden. So heißt es: "Auf dem Marktplatz in Xerxe/Zerze wurde am 10. Oktober 2005 ein Zeuge ermordet, ein weiterer anonymer Zeuge schwer verletzt, nachdem sie sich bereit erklärt hatten, in einem Kriegsverbrecherprozess auszusagen. Der volle Name und weitere Details zu dem anonymen Zeugen waren in einer Lokalzeitung veröffentlicht worden." [Übersetzung]
Korruption und Organisierte Kriminalität
In einem vertraulichen Papier des Bundesnachrichtendienstes aus dem Jahr 2007 heißt es zusammenfassend: "Der faktisch inexistente Zeugenschutz im Kosovo bildet eine der zentralen Barrieren beim Aufziehen exponierter Prozesse gegen hochrangige kosovarische Führungskader." Die Verfasser der Expertise kommen zu dem Schluss, dass "das bisherige Zeugenschutzprogramm zu Teilen an Sabotage grenzende Fehlplanungen aufweist."
Seit Ende des Kosovo-Krieges versuchen Vereinte Nationen und Europäische Union, die frühere jugoslawische Teilrepublik Kosovo in einen demokratischen Rechtsstaat zu verwandeln. Die EU gab allein zwischen Oktober 2010 und Oktober 2011 165 Millionen Euro für die Rechtsstaatlichkeitsmission aus. EULEX beschäftigt nach eigenen Angaben rund 1700 internationale Mitarbeiter und 1200 Kosovaren in Justiz, Polizei und Zoll. Hinzu kommt die Schutztruppe KFOR.
MEDIATHEK
Olgica Kostic trauert um ihre Brüder.
Video "Blutige Geschäfte", ZDFzoom vom 13.07.2011
Im rechtsfreien Raum
Doch die Führung der früheren Kosovo-Miliz UCK, kritisieren Experten, beherrsche heute die politischen Parteien und die Organisierte Kriminalität (OK): "Diese Strukturen konnten sich im rechtsfreien Raum breitmachen", sagt Calic, "und da wurden alle Aktivitäten entfaltet, mit denen man Geld auf illegale Art und Weise machen kann." Das betreffe vor allem den illegalen Waffenhandel, aber auch den illegalen Handel mit Menschen.......
http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/16/0,1872,8364944,00.html
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Kosovo | 20.01.2012
AntwortenLöschenKosovo: Der vergessene Einsatz
Die europäische Mission EULEX soll im Kosovo Recht und Gesetz etablieren. Doch vor allem im serbisch dominierten Norden will ihr das nicht gelingen.
Pristina, Hauptstadt des KosovoPristina, Hauptstadt des KosovoDie Rechtsstaatsmission EULEX kann nicht durchgreifen, weil ihr immer noch ein klares Mandat fehlt. Das liegt daran, dass mehrere EU-Länder den Kosovo bis heute nicht anerkannt haben. Und so floriert im nördlichen Teil des Landes ein Schmuggel mit Waffen und Drogen. Besonders angespannt ist die Lage an der Grenze zum benachbarten Serbien. Dort streiten sich Kosovaren und Serben über die Grenzkontrolle. Auch jetzt gab es wieder Blockaden und Protestaktionen mit vielen Verletzten.