Organhandel im Kosovo
Als
Organhandel im Kosovo ist sowohl mutmaßlicher
Organraub von aus dem
Kosovo mutmaßlich entführten Menschen als auch erwiesener illegaler Organhandel im Kosovo bekanntgeworden.
Mit dem mutmaßlichen Organraub wurde oft das sogenannte
Gelbe Haus (
albanisch shtëpia e verdhë,
serbisch: жута кућа/
žuta kuća) in Verbindung gebracht, ein Gebäude in
Rribe (
Albanisch offiziell meist
Rripa resp.
Rripë) rund zehn Kilometer südlich von
Burrel[1] in
Albanien. Es steht als Symbol
[2] für mutmaßliche
Kriegsverbrechen der
paramilitärischen UÇK während des
Kosovokrieges sowie für mutmaßlichen Organraub von UÇK und
Verbrecherorganisationen ethnischer Albaner nach der
Militärintervention der NATO von 1999, als die serbisch-jugoslawischen
Sicherheitskräfte auf Betreiben der NATO das Land hatten verlassen müssen und NATO-geführte
KFOR-Truppen sowie
UNMIK-Kräfte die Verantwortung über die Provinz übernommen hatten. Opfer der mutmaßlichen Verbrechen waren überwiegend ethnische
Serben sowie
Roma und bestimmte
[Anmerkung 1] Kosovo-Albaner, die zuvor von der UÇK aus der damals zur
Bundesrepublik Jugoslawien gehörenden serbischen Provinz Kosovo nach Albanien entführt worden waren.
[3] Von Journalisten 2003 initiierte Ermittlungen der UNMIK-Behörden und des
Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) waren 2004 eingestellt worden.
[2] Ausgelöst durch eine
Autobiografie von
Carla Del Ponte, der früheren Chefanklägerin des ICTY, aus dem Jahr 2008 bekräftigte ein Bericht des
Europarats nach einer von
Dick Marty
geleiteten Sonderermittlung Ende 2010 die alten Anschuldigungen des
vorwiegend an Serben aus dem Kosovo in Albanien begangenen Organraubs.
[3]
Der Bericht beschuldigte kosovarische Spitzenpolitiker wie den
ehemaligen UÇK-Kommandanten und amtierenden Ministerpräsidenten des
Kosovo,
Hashim Thaçi, in organisierte Kriminalität und seit 1999 in Organraub verwickelt zu sein.
[3][4]
Dem Geheimdienst und der Regierung Albaniens wird in dem Bericht des
Europarats zur Last gelegt, mit der UÇK zusammengearbeitet zu haben
beziehungsweise geheime UÇK-Lager, in denen auch Organraub erfolgt sei,
geduldet zu haben und sich einer Aufklärung der Vorwürfe durch
internationale und serbische Behörden zu verweigern.
[4]
Den internationalen Behörden im Kosovo warf der Bericht des Europarats
langjährige Mitwisserschaft, stillschweigende Duldung und Mitschuld vor.
[3] Seit 2011 laufen Ermittlungen der
EULEX Kosovo, die die Stichhaltigkeit dieser Vorwürfe überprüfen sollen und deren Ergebnis bis 2014 erwartet wird.
[5][6]
Als erwiesener illegaler Organhandel kann bisher der Fall der sogenannten
Medicus-Klinik aus dem Jahr 2008 im damals unter
Schirmherrschaft der
Vereinten Nationen (UN) stehenden Kosovo gelten, für den das zuständige Gericht in
Priština
im Jahr 2013 mehrere Angeklagte für schuldig befunden hat, Organe in
krimineller Weise Spendern entnommen und Empfängern eingepflanzt zu
haben. Opfer waren hier vorwiegend aus
Osteuropa und
Zentralasien
stammende, finanziell schwach gestellte Personen, während es sich bei
den Organempfängern häufig um zahlungskräftige Personen aus
Israel oder anderen wohlhabenden Ländern handelte.
[7][5] Derzeit flüchtig sind der türkische Arzt Yusuf Sönmez und der Israeli Moshe Harel als von
Interpol gesuchte Verdächtige und mutmaßliche Hauptdrahtzieher des Organhandelrings.
[7] Nach dem Sonderermittlungsbericht des Europarats von 2010 und nach anderen Quellen
[8][9] soll auch der Medicus-Fall in Zusammenhang mit den mutmaßlichen Organraubfällen in Albanien aus der Nachkriegszeit stehen.
[3]..............
http://de.wikipedia.org/wiki/Organhandel_im_Kosovo
Ausschnitte:
Nach einer Analyse des
Bundesnachrichtendienstes (BND) vom 22. Februar 2005,
[33] über deren Inhalt die
Weltwoche am 26. Oktober 2005 publizierte,
[34][35][36]
wurde die Provinz Kosovo von Netzwerken aus hochrangigen Politikern und
international tätigen kosovo-albanischen Mafiabanden beherrscht, die
„kein Interesse am Aufbau einer funktionierenden staatlichen Ordnung“
haben, „durch die ihre florierenden Geschäfte beeinträchtigt werden
könnten.“
[37][38]
Diese Netzwerke hätten das Ziel, ein „geeignetes politisches Umfeld“
für ihre kriminellen Geschäfte im Kosovo zu bereiten. Der BND ging davon
aus, dass der Kosovo auch künftig „eine Schlüsselrolle als
Transitregion für den Drogenhandel in Richtung (West-)Europa“ behalten
werde,
[37][38] da Vertreter der politischen Führung im Kosovo maßgeblich an den kriminellen Aktivitäten der Mafia beteiligt seien.
[37]
Zu diesen „Key-Playern“ oder „Multifunktionspersonen“ gehörten laut BND
auch Hashim Thaçi, sowie dessen Vertrauter, PDK-Vize und späterer
Parlamentspräsident Xhavit Haliti
[39][Anmerkung 3] oder der vom UN-Sonderbeauftragten und UNMIK-Chef
Sören Jessen-Petersen als „Freund und Partner“ bezeichnete Ramush Haradinaj.
[37][40][33]
Diese politischen Spitzenkräfte nutzten demnach ihre Verbindungen zur
organisierten Kriminalität für die Durchsetzung eigener Interessen und
schafften im Gegenzug mit ihrem Einfluss in Politik, Wirtschaft und
Sicherheitsbehörden „Freiräume und Zugänge“ für die klassischen
Betätigungsfelder der organisierten Kriminalität, die das „gesamte
Spektrum krimineller, politischer und militärischer Aktivitäten“
einnehmen, insbesondere den Drogen-, Zigaretten- und Waffenschmuggel,
illegalen Treibstoffhandel, Menschenschmuggel und die
Schutzgelderpressung. Auch der damalige Regierungschef, Agim Çeku, stehe
mit kriminellen Geschäften der „Bruderschaften“ genannten
kosovo-albanischen Mafiagruppen in Verbindung und sei der Gruppe um
Thaçi und Haliti zuzuordnen, die die Drenica-Region kontrolliere.
[37]
Insbesondere der Kosovo gelte als Zentrum der organisierten
Kriminalität, aus dem kriminelle Aktivitäten in ganz Europa gesteuert
werden. Die westeuropäischen Länder seien und blieben für die
albanische organisierte Kriminalität
als Vorbereitungs- und Rückzugsraum sowohl logistischer Standort als
auch Zielland für den Drogenhandel und weitere Deliktfelder. Eine große
albanische
Diaspora, namentlich in Deutschland und der Schweiz, biete der albanischen organisierten Kriminalität „eine ideale Operationsbasis“.
[38]
Laut BND, Interpol und Europarat sollte die Region Kosovo zu 60 Prozent
am europäischen Drogenhandel und zu 98 Prozent am Menschenhandel
beteiligt sein.
[41]
2007 erstellte das
Institut für Europäische Politik
(IEP) eine vom deutschen Verteidigungsministerium in Auftrag gegebene
Studie, deren Inhalt im Januar 2008 trotz ihres Vermerks als
Verschlusssache über die russische Nachrichtenagentur
RIA Novosti bekannt wurde.
[42][43]
Nach dieser IEP-Studie übt die Mafia im Kosovo soziale Kontrolle aus,
„die auf kurz oder lang zu einer vollständigen kollektiven Deprivation
der betroffenen Gesellschaft führt und kein Aufwachsen
liberaler und
demokratisch gesinnter Kräfte erlaubt.“
[44] „
Sowohl die Polizei als auch das Justizwesen im Kosovo“, so die IEP-Studie, „
stellen
überaus schwache und in wesentlichen Fällen handlungsunwillige
Sicherheitsinstitutionen dar, die insbesondere für Angehörige von
Minderheiten keine neutrale Ansprechstelle repräsentieren.“
[45] „
Die unredliche und überaus kurzsichtige Appeasement-Politik gegenüber der Organisierten Kriminalität sowie die damit einhergehende Entwertung demokratischer Grundfesten“, urteilte die Studie, „
findet ihren skandalösen Höhepunkt in der offenen Behinderung der Ermittlungsarbeit des Haager Kriegsverbrechertribunals [ICTY]
, was nicht nur die Politik der Internationalen Gemeinschaft der Bigotterie entlarvt, sondern elementar dem Bestreben nach einer Demokratisierung des Kosovo zuwiderläuft.“
[45] Zur Verantwortung der westlichen Staaten schrieb die IEP-Studie: „
Die
Internationale Gemeinschaft sowie ihre Vertreter im Kosovo tragen
maßgeblich Mitverantwortung für die alarmierende Ausbreitung mafiöser
Strukturen im Kosovo und haben durch die offene Unterstützung
politisch-krimineller Kuppelakteure in vielfältiger Weise die
Glaubwürdigkeit internationaler Institutionen beschädigt. Durch die
wiederholte öffentliche Rückendeckung für kriminelle und gewaltbereite
Spitzenpolitiker seitens führender Kräfte von UNMIK und KFOR wurde
sehenden Auges das mittlerweile fest etablierte innerkosovarische
Angstregime befördert und auf diesem Weg zur strukturellen Repression
nicht-korrumpierter Gesellschaftsakteure beigetragen.“
[46] Im Ausblick fasst die IEP-Studie zusammen: „
Resümierend
bleibt wenig Spielraum, den mittlerweile seit mehreren Jahren laufenden
Prozess der Sicherheitssektorreform im Kosovo nicht als überaus
defizitär zu bezeichnen. Auch das diesbezügliche Engagement der
Internationalen Gemeinschaft muss zumindest in Teilen als
kontraproduktiv charakterisiert werden und gibt wenig Anlass zur
Hoffnung, dass sich hieran etwas durch kurzfristige Maßnahmen ändern
ließe.“
[47]
Rechts- und Sicherheitspolitik seit 2008
Trotz der allein zwischen 1999 bis 2007 in den Kosovo geflossenen EU-Hilfsgelder von 3,5 Milliarden Euro,
[48][49] pro Kopf gerechnet ein weltweiter EU-Hilfe-Rekord, blieben nach einem Bericht des
Europäischen Rechnungshofes von 2012
Korruption und
Kriminalität im Kosovo so gravierend wie zu Kriegsende 1999: „
Korruption
und organisierte Kriminalität sind nach wie vor hoch. Verantwortlich
sind dafür zum Teil Kosovos Behörden, die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit nicht genug beachten. Zum Teil liegt es an der EU, die bessere Hilfe leisten muss“, urteilte der Berichterstatter
Gijs de Vries. Neben der Spitzenposition im Korruptionslevel nach
Transparency International
zitierte der Bericht auch einen OSZE-Mitarbeiter über die anhaltenden
Missstände im Justizwesen, wonach „die Richter ihre Urteile nicht allein
auf Grundlage des Gesetzes“ fällen, „sondern in vorauseilendem Gehorsam
externen Interessen folgend“. Der Kosovo sei durch alle Ebenen korrupt
und Spielball politischer, wirtschaftlicher und krimineller Interessen.
Weder bei der Rechtstaatlichkeit, noch im Kampf gegen organisierte
Kriminalität und Korruption könne die EU-Mission nachhaltig Erfolge
vorweisen. Der Bericht fasste zusammen, es habe sich somit an der
organisierten Kriminalität „seit dem Einschreiten der internationalen
Gemeinschaft im Sommer 1999 nicht wesentlich viel geändert“. Kosovos
Behörden würden sogar in jüngerer Zeit versuchen, die Exekutivmacht der
EULEX im Justizwesen durch Gesetzesänderungen zu begrenzen.
[48]
...
Einbeziehung des UNMIK-Forensikers Baraybar
Schließlich wandte sich das Team um Montgomery mit Bitte um
Unterstützung an den damaligen Vorsteher des UN-Büros für Vermisste in
Kosovo (
Office of Missing Persons and Forensics = OMPF),
[2][77] José Pablo Baraybar.
Baraybar gilt als „einer der wenigen Uno-Leute, die sich damals für die
vermissten Serben einsetzten und den Mut zu Untersuchungen aufbrachten,
auch gegen die UCK [UÇK]“ (Magazin).
[2]
Laut dem peruanischen Forensiker Baraybar war die zusammengetragene
Beweislast nicht ausreichend für eine Verurteilung, jedoch die
Indizienlast, wie auch Zeugenaussagen, ausreichend für eine
Anklageerhebung.
[2]
Baraybar gehört zu den wenigen Personen, die persönlich mit den
UÇK-Quellen gesprochen hat, die für den UN-Bericht von Oktober 2003
herangezogen wurden und als einen der Entnahmeorte von Nieren
Fushe Kruja nannten.
[57] Auch in einer TV-Reportage des
ZDF
aus dem Jahr 2011 über den illegalen Organhandel im Kosovo zeigte sich
Baraybar überzeugt von der Existenz des illegalen Organhandels im
Kosovo.
[57]
Vertraulicher UN-Bericht von Ende Oktober 2003
|
Mutmaßlicher Organhandel von 1999-2000 laut vertraulichem UN-Bericht von Oktober 2003:
Grünes Dreieck: Für illegale Gefangeneneinfuhr aus dem Kosovo 1999 genutzter Grenzübergang bei Morina [56]
Rotes Kreuz: Geographische Lage des Hauses der illegalen Organentnahme bei Burrel laut UN-Bericht 2003 [56]
Flugzeug: Für illegale Organausfuhr genutzter Flughafen Tirana [56]
|
Das Untersuchungsergebnis der Ermittlungen der UN von 2003
[56] soll über die Jahre unter Verschluss gehalten worden sein (Stand: 2011).
[57] Eamonn Smyth,
Head of Mission in Skopje und Priština, sendet darin Patrick Lopez-Terres, dem
Chief of Investigations
des Haager Tribunals (ICTY), Informationen zu Angelegenheiten des
Treffen zwischen dem Chefankläger und Paul Coffey, dem Leiter des
Department of Justice der UNMIK, von Oktober 2003.
[56]
In dem vertraulichen Bericht fassen die UN-Ermittler die
Zeugenberichte von mindestens acht ethnischen Albanern, die in der UÇK
dienten,
[57] zusammen, nach denen „
ab
Mitte 1999 (und möglicherweise früher) zwischen 100 und 300 Leute
entführt und mit Lastwagen oder Vans zu Hafteinrichtungen in die oder
nahe der nordalbanischen Städte Kukes und Tropoje verbracht wurden. Die
meisten dieser Leute waren serbische Männer aus dem Kosovo, die zwischen
Juni und Oktober 1999 gefangen genommen wurden. Ab August 1999 wurden
einige dieser Gefangenen (24-100) aus Nordalbanien zu sekundären
Hafteinrichtungen (Privathäuser und industrielle Rohanlagen) in
Mittelalbanien, hauptsächlich nahe der Stadt Burrel (oder Burreli), etwa
110 Kilometer südwestlich von Kukes verlegt. Gefangene wurden auch in
Hafteinrichtungen nahe Peshkopi, etwa 50 Kilometer östlich von Burrel verschoben.“
[56]
Als Grenzübergang von Kosovo nach Albanien wurde
Morina
genutzt, wo im Sommer 1999 deutsche Soldaten stationiert waren, um die
Grenze zwischen dem Kosovo und Albanien zu kontrollieren.
[57]
Laut der Beschreibung im UN-Bericht von 2003 konnte die UÇK mit den
gefangenen Serben ohne Probleme diesen letzten Checkpoint vor Albanien
passieren: „
Die Serben trugen bereits Handschellen und ihnen wurde
gesagt, sie sollten leise sein, sonst würden sie auf der Stelle
erschossen. Sie fuhren ohne Probleme über die Grenze. Sie hupten die
Deutschen an und das war alles.“
[57][56]
Die nach Mittelalbanien gebrachten Gefangenen seien dann, in kleinen
Gruppen, erneut in ein privates Haus südlich von Burrel verschoben
worden, das als provisorische Klinik hergerichtet gewesen sei. Sowohl
der gelbe Anstrich des Hauses als auch der spätere weiße Anstrich des
Hauses wurde von einigen Quellen bezeugt. Dort seien den Gefangenen mit
Hilfe von Personal und medizinischer Ausrüstung Organe entnommen worden,
worauf die Gefangenen gestorben und in der Nähe vergraben worden seien.
Die Organe seien über den 75 Kilometer entfernten Flughafen von Tirana
ins Ausland geflogen worden.
[56]
Auch eine geringere Anzahl von Frauen aus Kosovo, Albanien und
Osteuropa sei in das als Klinik genutzte Haus bei Burrel gebracht
worden. Die letzte Gefangenenlieferung in dieses Haus sei für Frühling
oder Frühsommer 2000 berichtet worden.
[56]
Der Bericht erwähnt in Zusammenhang mit den Entführungen und
Organentnahmen auch den damals für die Region verantwortlichen
UÇK-Kommandeur
Ismet Tara,
[56][57]
der in einem Interview mit Reportern des ZDF von 2011 sowohl
bestreitet, dass jemals UÇK-Lager für entführte Serben existiert haben
als auch, dass die technischen Voraussetzungen für Organentnahmen in
Albanien jemals gegeben gewesen sind.
[57]
Alle acht „Quellen“ des vertraulichen Berichts sagten aus, die
Lieferungen und chirurgischen Eingriffe seien mit Wissen und/oder
aktiver Beteiligung von UÇK-Offizieren auf mittlerer oder führender
Rangebene und von kosovarischen oder ausländischen Ärzten geschehen. Der
Vorgang sei von Männern unterstützt worden, die über Verbindungen zu
Agenten der albanischen Geheimpolizei der früheren Regierung von
Sali Berisha
verfügt hätten. Um keine Rückverfolgung auf ihre Identität zu
ermöglichen, so der Bericht, hätten sich alle Zeugen gescheut, über ihre
eigene Beteiligung Informationen zu geben, die lediglich von vier
Quellen eingeräumt worden sei.
[56]
Der Bericht gibt die genaue geographische Lage der Hausklinik bei
Burrel an, beschreibt anonym die acht ethnisch-albanischen Zeugen,
listet Zeugenaussagen auf und gibt die Namen von Gefangenen an, die
angeblich nach Albanien verbracht wurden (zum Beispiel Vlastimir
Stevanovic, Dragan Jacimovic, Zlatko Antic, Sinisa Vitosevic, Gradimir
Majmarevic, Dragoljub Slavkovic, Mladen Vasic, Mileta Djukic, Pera
Ristic und Sladjana Fan).
[56]
Als weiterer Ort der Entnahme von Nieren wird das nahe dem Flughafen von Tirana gelegene
Fushe Kruja genannt, als Zielflughafen wird
Istanbul aufgeführt.
[57]
Ermittlungen des Haager Tribunals ab 2003
Im Jahr 2003 erhielt der
Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY, IStGHJ, auch „Haager Tribunal“) in
Den Haag, so gab die ehemalige Chefanklägerin am Haager Tribunal
Carla Del Ponte
im Jahr 2008 an, von „glaubwürdigen Journalisten“ Informationen, „dass
im Kosovo nach dem 12. Juni 1999, als NATO-Truppen ins Kosovo
einmarschierten, zwischen 100 und 300 Menschen entführt und anschließend
nach Nordalbanien verschleppt wurden“ (Human Rights Watch).
[61]
Del Ponte war in dieser Zeit unter anderem mit dem politisch brisanten,
umfangreichen und vielbeachteten „Milošević-Prozess“ des Haager
Tribunals beschäftigt. Sie hatte am 29. Juni 2001 die Anklageschrift
gegen
Slobodan Milošević und vier andere serbisch-jugoslawische Führungskräfte bearbeitet,
[78] die erste internationale Anklage, die gegen ein regierendes Staatsoberhaupt erhoben worden war.
[79] Del Ponte soll die Organhandel-Vorwürfe nach eigener Angabe zunächst für unwahrscheinlich und „nicht möglich“ gehalten haben,
[80][2] ließ aber „ihre Leute zumindest weiterermitteln“,
[2]
zumal ihr Spezialisten versichert haben sollen, dass weniger die
Entnahme von Organen medizinisch schwierig sei, als eher deren
Konservierung.
[80]
Ermittlung von UNMIK, ICTY und Journalisten im Gelben Haus 2004
Es kam in der Folge zu Unstimmigkeiten zwischen den in die
Untersuchungen involvierten drei Parteien, dem Forensiker Baraybar vom
UN-Büro für Vermisste, dem Journalisten Montgomery und dem Team Del
Pontes vom Haager Tribunal. Montgomery schützte die Identität seiner
Zeugen gegenüber dem Haager Tribunal, das volle Akteneinsicht forderte
und die Identität der Zeugen nicht ermitteln konnte.
[2]
Am 4. Februar 2004 schlossen sich die in die Untersuchungen
involvierten Parteien zusammen und etwa zwei Dutzend Experten besuchten
das von einer albanischen Familie bewohnte Haus.
[2]
Das Team von Ermittlern setzte sich aus Mitarbeitern der UN und des
Haager Tribunals (ICTY) zusammen und wurde von Matti Raatikainen
geleitet.
[77]
Unter anderem wurde auf dem Gelände für chirurgische Eingriffe
geeignetes medizinisches Material gefunden, wie Medikamentenfläschchen -
darunter auch ein gewöhnlich bei Operationen verwendetes
Mittel zur Muskelentspannung - oder Verbandsmull, Infusionsbeutel und Spritzen. Im Haus konnten mit Hilfe von
Luminol-Spray weitverbreitete Blutspuren in der Küche sichtbar gemacht werden.
[2][61][81][77][82]
Während die albanische Familie behauptete, das Haus sei immer weiß
gestrichen gewesen, fanden die Ermittler unter dem weißen Anstrich des
Hauses an einer Stelle Überreste von gelber Farbe
[2][60] und alte Fotos belegen einen früheren gelben Anstrich.
[61]
Nach Angaben von Baraybar wurden UN-Ermittler unter seiner Leitung bei
dem Versuch, auf einem nahe gelegenen Friedhof nach möglichen Opfern zu
graben, von Dorfbewohnern vertrieben: „Die Stimmung war ziemlich
feindselig“, sagte Baraybar.
[83]
Über drei Tage hinweg hielten sich Mitarbeiter Baraybars und Carla Del
Pontes sowie der Journalist Montgomery mit einem Kollegen an dem
mutmaßlichen Tatort auf, wo es zu einem Expertenstreit kam, als sich die
das Haus besitzende albanische Familie Katuci in Widersprüche
verstrickte.
[2][84][85][86] Einige Ermittler wollten den Fall weiter verfolgen, andere beurteilten die Beweise als zu gering.
[77]
Die in Burrel gefundenen mutmaßlichen Beweisstücke wie Spritzen und
leere Medikamentenbehältnisse kamen zwar zum internationalen Gerichtshof
in Den Haag, wurden dort aber kurz darauf, etwa ein Jahr nach der
Untersuchung, durch das Kriegsverbrechertribunal vernichtet. Das
Dossier zu der Untersuchung wurde zu den Akten gelegt.
[87] Die Untersuchung des Haager Tribunals von 2004 wurde später kontrovers beurteilt. Die
SZ bezeichnete sie als „oberflächlich“ und „ergebnislos“.
[87]
In einer Reportage des ZDF von 2011 dagegen wird unter Berücksichtigung
des vertraulichen UN-Berichts von 2003 die Ansicht vertreten, dass die
Untersuchungen gestoppt wurden, obwohl der Verdacht des Organhandels
sich erhärtet hatte. Der Chef der UNMIK, der Franzose
Bernard Kouchner, habe - so die ZDF Reportage mit Verweis auf Kouchners Reaktion auf eine Anfrage eines Journalisten
[88][89][90] - die Ergebnisse seiner Fahnder gar öffentlich „geleugnet“.
[57][91][92]
Auch Del Ponte teilte mit, sie habe erst nach Ende ihrer Tätigkeit als
Chefanklägerin „erschüttert“ erfahren, dass Beweisstücke für die
mögliche Entnahme von Organen in Albanien beim Haager Tribunal
verschwunden seien: „
Es waren Blutproben, Lappen, Fotos und Ähnliches aus dem gelben Haus in Rribe in Nordalbanien“, so Del Ponte, „
Es war uns damals klar, dass in dem Haus etwas Medizinisches stattgefunden hatte.“
[80]
Nach der Hausinspektion von 2004 unternahmen die zuständigen
UNMIK-Behörden im Kosovo keine weiteren Schritte im Organhandel-Fall
mehr.
[2][84]
Montgomerys Originalquellen (Zeugen) „verschwanden“. Einer war in einem
mutmaßlich unabhängigen Fall getötet worden, die anderen konnten nicht
mehr aufgefunden werden.
[77] 2010 vermutete Montgemery, dass bereits keiner seiner Zeugen mehr lebte.
[2] Del Ponte gab später an, mehrere Zeugen hätten die Aussage verweigert: „
Sie hatten Angst, weil mehrere unserer Zeugen ermordet worden waren“.
Vor allem seien aber die Anfangsermittlungen des Haager Tribunals
damals ins Stocken geraten, weil Albanien die Zusammenarbeit eingestellt
habe: „
Wir hatten von Massengräbern mit möglichen Opfern von
Organentnahmen in Albanien gehört, und ich wollte das untersuchen
lassen, aber die albanischen Behörden sperrten sich“.
[80]
Klinik, Finanzierung, Besitz und Leitung
Die Medicus-Klinik nahm einen Sonderstatus ein und befand sich unter
der Schirmherrschaft des kosovarischen Gesundheitsministeriums. Sie
besaß Lizenzen für Operationen.
[76] Finanziert wurde die Medicus-Klinik, für die mit der Bezeichnung „Klinika Gjermane“ („Deutsche Klinik“)
[57][151] geworben wurde, laut einer ZDF-Reportage von 2011 durch einen deutschen
Urologen.
[57] Im Handelsregister von Priština war der deutsche Arzt und Professor, Manfred Beer,
[118] als Eigentümer der Klinik eingetragen.
[151]
Obwohl der deutsche Urologe Besitzer der Medicus-Klinik war, stritt
Beer ab, über den illegalen Organhandel aufgeklärt worden zu sein.
[152][153][154]
Er habe erst nach der Schließung der Klinik erfahren, dass dort
Transplantationen durchgeführt wurden. Laut Bericht des Spiegels von
2012 lässt sich aus E-Mails zwischen ihm und Lutfi Dervishi, laut
Handelsregister sein Stellvertreter
[118] und Miteigentümer der Klinik
[155],
das Gegenteil schließen. Ein Vorermittlungsverfahren gegen ihn war
2011, laut Spiegel noch in Unkenntnis der E-Mails, eingestellt worden,
nachdem ein deutscher Organempfänger sich geweigert hatte auszusagen.
Der deutsche Finanzier der Klink hat selbst noch wenige Jahre zuvor in
einer deutschen Klinik auch Nieren transplantiert. Laut Aussagen des
Medicus-Bevollmächtigten habe er drei Millionen Euro in das Hospital
investiert und auch mitgeholfen, Ärzte zu finden, die in der Klinik
Operationssäle mieten konnten.
[151]